Die gegenwärtige junge Generation, die in den vergangenen Jahren nach dem Schicksalsjahr 1917 herangereift ist, … kann sich wahrscheinlich die Weltanschauung und den Glauben jener Menschen nur schwer vorstellen…, deren Seele in der sogenannten „Epoche der Selbstherrschaft“, d. h. vor 1905, geprägt wurde. … In jener Epoche war die überwiegende Mehrheit der Russen aus den Reihen der sogenannten „Intelligencija“ von einem einzigen Glauben beseelt, hatte einen einzigen „Lebenssinn“. Diesen Glauben kann man am besten als Glauben an die Revolution definieren ... Die Revolutionäre warfen den Liberalen persönliche Feigheit vor, die sie in jedem Vermeiden revolutionärer Untergrundtätigkeit oder im Mangel an sittlich-politischem Temperament, in der Unentschiedenheit und Halbherzigkeit im Kampf gegen die bestehende Ordnung sahen. Die Liberalen und „Gemäßigten“ fühlten sich in ihrer tiefsten Seele selbst als Sünder und Schwächlinge, als zum Heroismus der Revolutionäre unfähig. Sie hatten kein ruhiges Gewissen. Den Sozialismus oder radikalen Demokratismus grundsätzlich zu kritisieren, wäre niemandem in den Sinn gekommen. ... Kritik am Sozialismus und Radikalismus war eine unerhörte Häresie. … Darüber hinaus erforderte … schon die offene Vertretung einer politisch gemäßigten Haltung soviel Zivilcourage, wie sie nur wenige besaßen, denn nicht nur die Titulierung als „Konservativer“ oder „Rechter“ war eine Beschimpfung, sondern bereits die Bezeichnung „gemäßigt“ galt als solche. … [Der] „Gemäßigte“ war der Spießbürger, furchtsam, bar jedes Heroismus, der aus Feigheit oder Unentschlossenheit das Unversöhnliche versöhnen wollte, ein Wesen, das „weder heiß noch kalt“ ist und sich auf unzulässige Kompromisse einlässt. Wie gesagt, hatten die „Gemäßigten“ selbst in dieser Hinsicht kein reines Gewissen, sie fühlten sich nicht ganz frei von diesen Mängeln. In den meisten Fällen betrachteten sie die Revolutionäre wie kirchlich eingestellte Laien die Heiligen und Asketen betrachten – als unerreichbare Muster an Vollkommenheit; denn je linker, desto besser, höher, heiliger.
(Aus dem Beitrag von Simon L. Frank)
(Aus dem Beitrag von Wolfgang Stephan Kissel)
Gunter Dehnert
Prof. Dr. Leonid Luks, geb. 1947 in Sverdlovsk (heute Ekaterinburg). Studierte Slavische Philologie, Osteuropäische Geschichte und Neuere Geschichte in Jerusalem und München. 1973 Promotion und 1981 Habilitation an der LMU München. Danach als Hochschullehrer tätig an den Universitäten München, Bremen und Köln. 1995-2012 Inhaber des Lehrstuhls für Mittel- und Osteuropäische Zeitgeschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Seit 2011 Direktor des Zentralinstituts für Mittel- und Osteuropastudien (ZIMOS) an der KU Eichstätt-Ingolstadt. Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift „Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte“.
Nikolaus Lobkowicz
Leonid Luks
Prof. Dr. Leonid Luks, geb. 1947 in Sverdlovsk (heute Ekaterinburg), studierte Slavische Philologie, Osteuropäische Geschichte und Neuere Geschichte in Jerusalem und in München. 1973 Promotion, 1981 Habilitation an der LMU München. Danach als Hochschullehrer an den Universitäten München, Bremen und Köln tätig. 1995–2012 Inhaber des Lehrstuhls für Mittel- und Osteuropäische Zeitgeschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. 2011–2015 Direktor des Zentralinstituts für Mittel- und Osteuropastudien an der KU Eichstätt-Ingolstadt. Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschriften Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte und Форум новейшей восточноевропейской истории и культуры. Autor zahlreicher Fachbücher und Aufsätze.
Alexei Rybakow
Andreas Umland
Andreas Umland, M.Phil. (Oxford), Dr.Phil. (FU Berlin), Ph.D. (Cambridge), Research Fellow at the Swedish Institute of International Affairs in Stockholm, Senior Expert at the Ukrainian Institute for the Future in Kyiv, and Associate Professor at the National University of Kyiv-Mohyla Academy.
ORCID: 0000-0001-7916-4646
Lieferzeit
|
Lieferzeit 2-3 Werktage.
|
herausgegeben von | Gunter Dehnert, Nikolaus Lobkowicz, Leonid Luks, Alexei Rybakow, Andreas Umland |
Seitenzahl |
166
|
Reihe |
Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte
|
Sprache |
Deutsch
|
Erscheinungsdatum |
31.12.2019
|
Format |
210,0 mm x 148,0 mm
|
Typ |
Paperback
|
ISBN
|
978-3-8382-1851-9
|